18. Juni 2018
Nun gut, als am Sonntag abend Shibli für
Montag 5.30 Uhr Wecken ausrief, dachten wir alle, er macht einen Scherz. Aber es
war sein voller Ernst und im Nachhinein hat sich das als wirklich sinnig herausgestellt.
Also standen wir um Punkt 7.00 Uhr am Bus und
starteten in Richtung Tempelberg Jerusalem. Unsere Gruppe ist wirklich ganz
wunderbar, sie halten sich an Absprachen und sind verlässlich da. Einer aus
unserer Reisegruppe muss leider im Hotel das Bett hüten, da er sich eine
Magen-Darm-Infektion eingefangen hat. Schade, dass er den Tempelberg nicht mit
uns besuchen kann.
Um 8.00 Uhr stehen wir an der Kontrolle zum
Tempelberg, Schultern und Knie bedeckt und lassen uns und unsere Sachen
durchleuchten. Alle kommen gut durch die Kontrolle und wir betreten durch einen
langen überdachten Holzgang den Tempelberg. Die große goldene Kuppel des Felsendoms
ist weithin sichtbar und wir betreten durch das Maghrebinertor den Bezirk, das
ist der einzige Zugang für Nichtmuslime. Der Tempelberg ist für gläubige
Muslime die drittheiligste Stätte, nach der Kaaba in Mekka und des Grabes von
Mohammed in Medina. Aber auch für Juden und Christen ist der Tempelberg ein
heiliger Ort, hier lehrte Jesus, hier standen Abrahams Altar und die beiden jüdischen
Tempel.
Heute kann man den Tempelberg nur außerhalb
der muslimischen Gebetszeiten besuchen und da war es eben sehr gut, dass wir
schon um 8.00 Uhr da waren und so gut wie keine Warteschlange hatten. Die
Innenbesichtigung der Gebäude auf dem Tempelberg ist eh nur Muslimen gestattet.
Das ist das Höllental, der Überlieferung nach der Ort, an dem in Jerusalem Aussätzige verbannt
wurden und somit von der Bevölkerung ferngehalten wurden.
Der Name „Al-Aqsa-Moschee“ geht auf die 17.
Sure des Korans zurück, sie wird als „die am weitesten von Mekka entfernteste
Moschee“ bezeichnet. Shibli erzählt uns die Geschichte, dass eines Nachts
Mohammed der Engel Gabriel erschien und ihm auftrug, er solle das geflügelte
Pferd Buraq besteigen. Dies trug ihn dann erst zur Al-Aqsa-Moschee und danach
in den Himmel, wo Gott ihn unterrichtete. In derselben Nacht trug ihn dann
Buraq wieder zurück.
Die erste Moschee wurde bereits 705-715 von
Kalif Walid errichtet, wechselvoll war die Geschichte mit Erdbeben und
Kriegsgetümmeln, Kreuzzügen, unter denen der Tempelberg wieder in christliche Hände
und die Templer gelang und sie dann wieder am 1187 durch Saladin wieder zur
Moschee umgewandelt wurde. Auch in neuerer Zeit kommt sie nicht zur Ruhe, 1951
wurde der jordanische König Abdullah I beim Betreten der Moschee von einem
Araber ermordet.
Zwischen Al-Aqsa-Moschee und Felsendom befindet
sich ein ritueller Reinigungsbrunnen. Die Bögen, die die Stufen zum Felsendom
überspannen, heißen „die Waagschalen des jüngsten Gerichtes“, hier sollen, so
glauben Muslime, am Jüngsten Gericht die Waagschalen aufgehängt werden, in denen
die guten und schlechten Taten gewogen werden.
Der Felsendom birgt in seinem Inneren den
heiligen Felsen. Nach jüdischer Überlieferung ist es die Stelle, an der Abraham
seinen Sohn Isaak opfern sollte. Nach islamischer Tradition ritt Mohammed von
hier aus auf Buraq in den Himmel. 55m hoch ist die Kuppel des „Schmuckkästchens“
wie er auch genannt wird. Er ist keine Moschee, sondern ein Gebäude für den heiligen
Felsen.
Wir haben viel Zeit, um uns den Tempelberg
genau anzusehen. Von hier aus hat man auch einen wunderbaren Blick auf den
Ölberg. Mich amüsieren die vielen Männern in türkisfarbenen Röcken, die man
anziehen muss, wenn man in kurzer Hose auf den Berg will.
Wir sammeln uns und machen uns auf den Weg durch
einen überdachten Gang an die Klagemauer. Eigentlich ist es die westliche
Stadtmauer, aber frühe Beobachter dachten, die Beter an der Mauer, die ihren
Körper vor und zurückwippen, klagen und weinen. Das gehört jedoch zur Meditation
und hat mit Klagen nichts zu tun. Aber da war der Name schon geprägt und hat
sich bis heute erhalten.
Der Bereich ist 18m hoch und 48m lang und in
zwei Teile, einen für Männer und einen für Frauen, unterteilt. Die unteren Steinreihen
stammen wohl noch aus der Zeit von Herodes. In den Fugen der Mauer stecken
viele kleine Zettel, die jeweils vor dem Schabbat von den Rabbinern eingesammelt
werden und verbrannt werden. Wer als Mann an die Mauer will, muss eine Kippa
tragen, es liegen Kippas aus Papier dafür aus. Bei den Frauen fällt mir auf,
dass sich viele rückwärts von der Mauer wegbewegen und erst weit vorne sich
umdrehen und dann normal weiterlaufen.
Bei Tag hat er eine ganz andere Ausstrahlung
wie bei der Nachtfahrt vor zwei Tagen. Es ist heute Bar Mizwa Tag und viele
Familien haben sich versammelt, um dieses hohe Fest der Juden, bei dem die 13jährigen
Jungen zu Männern werden und aus der Thora lesen dürfen, zu feiern. Es befremdet
uns, dass die Frauen hinter der großen Wand auf Bänken stehen und nur über den
Zaun schauend teilnehmen können. Aber das gehört nun mal hier zur Lebensweise
und Tradition. Es scheint ein wirklich großes Fest für die Familien zu sein,
die Männer und Jungen tanzen, die Frauen schreien und werfen Süßigkeiten über
die Wand hinüber zu den Männern.
Weiter geht es zu Fuß durch das jüdische Viertel.
Mitten drin steht wieder ein siebenarmiger Leuchter aus Gold, der für den
dritten Tempel gedacht ist. Alleweil steht jedoch noch der Felsendom an der
Stelle, deshalb hat man den Leuchter hier aufgestellt. Wir kommen durch den freigelegten
Abschnitt des antiken Cardo maximus, einer breiten Hauptstrasse aus
byzantinischer Zeit, die heute tief unter dem Straßenniveau liegt. Sie verband
damals die Grabeskirche mit der Nea, der wichtigsten Marienkirche damals. Eine
Wandmalerei neueren Datums zeigt den Trubel, der wohl damals auf dieser Straße los
war.
Durch das armenische Viertel erreichen wir den Berg Zion. Durch das
Zionstor führt der Weg hinauf. Bald kommt die Dormitio in Sicht. Bei seinem Besuch
1898 kaufte der deutsche Kaiser Wilhelm II das Areal und übergab es dem Deutschen
Verein vom heiligen Lande. Eine Marienkirche nach Vorbild des Aachener Doms wurde
darauf gebaut, die 1908 geweiht wurde. Dormitio bedeutet „Entschlafung Maria“ und
nach christlicher Überlieferung ist das der Ort, an dem Maria, die Mutter Jesu
vor ihrer Himmelfahrt entschlafen ist. Die Kirche ist einfach atemberaubend
schön. In der Apsis ist Maria mit dem Kind dargestellt, in vielen Nebenapsiden
sind wunderschöne Mosaike mit z.b. der Patrona Bavaria dargestellt. Gold
dominiert als Hauptfarbe und die Sonne bringt das Innere der Kirche ganz
wunderbar zum Strahlen. In der Krypta der Kirche befindet sich unter einer
Kuppel mit schönen Mosaiken eine Darstellung der entschlafenen Maria. Wir
nehmen uns die Zeit und singen ein Marienlied, ein sehr emotionaler Moment für mich.
Weiter geht es zum Abendmahlsaal, dem „room of
the last supper“. Diese Bezeichnung erheitert uns alle. Sein Gewölbe wird von
drei Säulen getragen und in seiner wechselvollen Geschichte wurde er auch als
Moschee genutzt. Daran erinnert noch immer der Platz des Vorbeters in einer Gebetsnische.
Der christlichen Überlieferung nach feierte hier
Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl und hier soll auch das in der
Apostelgeschichte beschriebene Pfingstwunder geschehen sein.
In einer Seitennische steht eine Skulptur, ein
Ölbaum, der drei Früchte trägt, Trauben, Weizen und Oliven. Dies soll das gute Zusammenleben der drei Religionen Judentum, Islam und Christentum symbolisieren.
Im Untergeschoß befindet sich eine Synagoge,
die nach jüdischer Überlieferung einen Steinsarg mit den sterblichen Überresten
von König David enthält.
Wir laufen zum Bus und fahren zurück nach
Bethlehem. Wir besuchen eine Kooperative, die christliche Palästinenser gegründet
haben und die die Menschen vor Ort, die Hilfe brauchen, unterstützt. Es gibt
allerlei aus Olivenholz zu kaufen, natürlich Krippen und Krippenfiguren in allen
Formen und Größen, Geschirr, Rosenkränze, Kreuze und noch vieles mehr. Nach dem
Mittagessen in Bethlehem steht dann noch ein Highlight an, die Geburtskirche.
Die Geburtskirche ist UNESCO-Welterbe. Um sie
zu betreten, muss man sich ganz klein machen, der Hauptzugang ist nur in demütig
gebückter Haltung zu betreten. Gott wird klein und auch wir machen uns klein,
um ihn zu suchen und zu finden, ist wohl die Botschaft dahinter. In ihr findet
sich die 12m lange und 4m breite Geburtsgrotte, zu der von beiden Seiten des
Hochaltares Treppen hinunterführen. Auch hier müssen wir nicht warten und
können die Geburtsgrotte sofort betreten.
Unter dem Geburtsaltar findet sich ein 14-zackicker-Silberstern.
In einem halbrunden Bogen hängen 15 Laternen, die die verschiedenen
Religionsgemeinschaften symbolisieren. Hier wird in jedem Jahr das Licht von
Bethlehem entzündet, das wir auch in unserer Pfarrei empfangen und weitergeben.
Die Aufschrift auf dem Stern lautet übersetzt: „Hier hat die Jungfrau Maria
Jesus Christus geboren“. Alle aus unserer Gruppe knieen nieder und betrachten
und berühren den Silberstern.
Direkt daneben schließt sich die kleine
Krippengrotte an, in der laut der heiligen Schrift die Hirten das Christuskind
anbeteten, direkt gegenüber gedenkt man der Anbetung durch die heiligen drei
Könige, hier sieht man auch – oder man erahnt ihn hinter der goldenen Absperrung
– den Futtertrog, in den Maria ihr Neugeborenes legte.
Da wir als Gruppe allein in der Grotte sind,
nutzen wir die Gelegenheit und singen „Zu Bethlehem geboren“ und „Stille Nacht“.
Wir gehen nach oben und betrachten den orthodoxen Hauptaltar und Teile des
antiken Fußbodens, der zur Zeit freigelegt wird. Die Kirche wird gerade
renoviert und große Bauzäune schirmen Teile der Kirche ab.
Während fast alle Kirchenbauten im Jahr 614 von den vorrückenden Persern zerstört
wurden, wurde die Geburtskirche verschont und ist somit wohl die einzige
erhaltene Kirche aus dieser Zeit. Man nimmt an, dass die Perser Abstand von
einer Zerstörung genommen haben, weil an der Hauptfassade die heiligen drei
Könige in orientalischen Gewändern dargestellt waren.
Wir gehen hinüber in die Katharinenkirche,
hier sieht man eine Höhle, in der der Hl. Hieronymus die Einheitsübersetzung der
Bibel, so wie wir sie auch heute noch haben, angefertigt hat. Über eine
Verbindungstür in der Höhle gelangt man direkt in die Geburtsgrotte, diese wird
jedoch nur an Weihnachten oder bei Prozessionen der Franziskaner geöffnet. Wir sehen
das Jesuskind aus Holz, das das Jahr über im Seitenaltar der Katharinenkirche
liegt und an Weihnachten unter dem Hauptaltar Platz findet.
Es gibt mehrere Höhlen unter der Geburtskirche,
eine wird die Grotte der unschuldigen Kinder genannt, hier fand man bei Ausgrabungen
Kindergebeine und man geht davon aus, dass dies die Kinder sind, die König
Herodes ermorden ließ in der Hoffnung, er würde den neugeborenen Jesus und
somit den angekündigten König der Juden ermorden können.
Nach diesem wirklich vollen Programm kehren
wir wieder in unser Hotel zurück. Wir treffen uns vor dem Abendessen zum
Abendimpuls und lassen dann den vorletzten Tag unserer Reise in Ruhe ausklingen.
Wenn jeder Mensch auf der Welt,
sich nur einmal am Tag für einen kurzen Moment
an dem Wunder einer Blume erfreute,
den Duft einer Rose atmete
dem Rauschen des Windes lauschte,
oder den Wind auf seiner Haut nachspürte,
dann bekäme die Menschheit eine leise Ahnung
von dem großen Geschenk,
das Gott uns in seiner Natur gemacht hat.
Das Staunen über die wunderbare Schöpfung
würde uns Menschen so sehr erfüllen,
dass Kriege und Streit überflüssig würden.
Ein großer Traum,
vielleicht zu groß für einen Einzelnen,
aber je mehr Menschen diesen Traum mit mir träumen,
um so mehr wird er zur Wirklichkeit.
(Bernadette
Muckelbauer)
Seid behütet
Eure Karin